Deborah Ziller
Aufwallung
Rede zur Diplompräsentation
Innerhalb meiner künstlerischen Auseinandersetzung bewege ich mich in Spannungsverhältnissen:
Schwarz und weiß, klein und groß, Mensch und Kosmos.

Die für mich jedoch wohl spannendste Polarität ist die Beziehung von Verstand und Gefühl.
Ein Tanz von denken und fühlen. Im Spiel von Festhalten und Loslassen. Trennung und Verbindung.

Zu Beginn eines künstlerischen Prozesses werde ich immer wieder zur Beobachterin des tragischen Versuches meines Verstandes, Wesenhaftigkeit zu greifen und Vorgänge zu Rationalisieren. Es gelingt ihm selten bis gar nicht. Flüchtig wie die Welt der Gerüche, entzieht sich die Kunst einer allgemeingültigen Definition, Form oder Aufgabe. Eine absolute Objektivität ist nicht möglich.
Für Adorno drückte sich das Wesen der Kunst vor allem dadurch aus, dass sie die Logik unseres herkömmlichen Verstehens durchkreuzt.

Und so stellte ich für mich fest: in der Kunst geht nicht die Theorie voraus und zieht die Praxis nach sich, sondern es verhält sich gänzlich umgekehrt. Vor allem durch das Gefühl, besonders am Anfang des Weges, ist meinem persönlichen Empfinden und Erleben nach, ein wahrhaftig künstlerischer Prozess zu erreichen.

Es ist ein Vorgang welcher sich aus dem unbewussten Inneren heraus bildet, mit einem Ursprung jenseits des Denkens.

In der Übertragung auf einen allgemeineren Kontext kam ich zu folgender Überlegung:
Die Schaffung von Transparenz, ein Sammeln von Wissen und die rationale Zerlegung der Wirklichkeit in seine einzelnen Teile, führt nicht zwangsweise dazu dass ich mich vertrauter mit der Welt fühle und die Unwägbarkeiten des Lebens besser meistern kann. Entsteht hier nicht viel eher der Verlust von Vertrauen, Intuition, Phantasie und dem Zauber dem ein Geheimnis innewohnende kann?

So begann ich meine eigenen verstandesbasierten Prägungen wahrzunehmen, um mich aus ihnen heraus zu lösen und mich bewusst meiner Intuition zu öffnen.

Im Vertrauen darauf, dass die richtige Dinge, im richtigen Moment passieren. Bilder und Ideen auf die Bühne treten wenn die Zeit dafür reif ist. Es war ein Einlassen auf das Ungewisse, nicht planbare.
Dies bedeutete vor allem, Hingabe, Fühlen und Loslassen.

Hierbei stellte ich fest, dass es Felder gibt, in denen ich in mir eine Resonanz wahrnehme. Augenblicke in denen ich mit der Welt in Beziehung trete. Eine Art Kommunikation und Berührtheit.
Dabei übt die unergründliche Erhabenheit einer transzendenten Naturerfahrung, in der ich mehr erlebe als ich begreifen kann, eine besondere Faszination aus.

Allein der Blick in die unendlichen Weite des Kosmos, während ich auf einer winzigen blauen Erde durch das expandierende Universum rase, lässt mich staunend zurück.
Diese Betrachtung regt eine tiefe Sehnsucht an und hilft bei der Öffnung des eigenen inneren Raumes.

Meine grafischen Arbeiten versuchen diese konkreten Resonanz-Momente zu reproduzieren.

Die praktische Umsetzung wiederum setzt hierbei eine genaue Planung voraus. Das Empfundene wird sorgfältig organisiert.
Eine Konzentration auf das Detail und Reduktion auf die Essenz.
Die Codierung der sichtbaren Welt in Punkte, Linien und Strukturen. Separierte Segmente die sich langsam und ruhig zu Flächen und Objekten verbinden.

Dabei verschmelzen Polaritäten miteinander und ergeben dabei ein Ganzes.
 Deborah Ziller, 2020