Durch den jüngsten Ankauf einiger seiner Werke durch das Deutsche Nationalmuseum wurden seine Skulpturen einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Dennoch wird Voll als Zeichner nach wie vor übersehen.
Im Mittelpunkt der Ausstellung im Kloster Zscheiplitz stehen Volls Arbeiten auf Papier. Sie besteht aus selten oder noch nie gezeigten Druckgrafiken, Stichen und Tuschezeichnungen aus den Jahren 1920 – 1924.
Das Hauptthema der Ausstellung ist der Kampf – der Kampf ums körperliche und geistige Überleben in der beengenden Atmosphäre eines Waisenhauses.
Voll litt unter ständigen psychischen und physischen Misshandlungen durch die mit seiner Erziehung betrauten Personen. Verlassen von seiner Mutter, die nach dem frühen Tod ihres Mannes mittellos zurückgelassen wurde, war Christoph der Willkür von Nonnen und Mönchen ausgeliefert. Die Zeichnungen, die den dieser Zeit gewidmeten Kreis bilden, spiegeln die Einsamkeit und Verzweiflung des der Zukunft beraubten Kindes, eines der Kindheit beraubten Erwachsenen wider. Der scheinbar endlose Alptraum des alltäglichen Kampfes mit emotionaler und materieller Armut hinterließ bei dem Künstler einen bleibenden Eindruck.
In den Zeichnungen seiner Kindheitserinnerungen stellt sich Voll als einsamer Junge dar, der Grausamkeit, Gewalt und systematischer Vulgarität ausgesetzt ist. Nichts scheint Sinn zu machen, nichts scheint zu sein, was es zu sein vorgibt: Die Nonnen verwandeln sich in Puppen mit Papageienaugen und scharfen Nasen, Mönche – in einen formlosen Haufen Menschenfleisch, wohlwollend und doch abstoßend. In einer der ausgestellten Zeichnungen, die sich jetzt in einer Münchner Privatsammlung befindet, ist der Heilige Nikolaus mit Peitsche und Ketten dargestellt, der dabei ist, Kinder zu schlagen, die um Gnade betteln.
Kurator der Ausstellung Alexander von Hahn: “Der Bildhauer Christoph Voll suchte und fand seine Inspiration in der oft düsteren Realität von Entbehrung und moralischem Verfall. Heute wie damals ist Deutschland, in das die Generation Volls aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt ist, diskussionsbedürftig: Was kann getan werden, um die Menschheit vor der Selbstzerstörung zu retten – nicht nur auf den Schlachtfeldern des Krieges, sondern vor gegenseitigem Misstrauen, Entfremdung voneinander, Zynismus und Apathie…”.
Obwohl die Ausstellung überwiegend aus hochwertigen Reproduktionen von Christoph Volls Werk besteht, ist sie dennoch einzigartig: Zum ersten Mal vereint sie Werke aus privaten Sammlungen aus ganz Europa, darunter große Auktionshäuser und Privatsammlungen im In- und Ausland.
Die Ausstellung ist täglich geöffnet, vom 11. September bis zum 11. Dezember 2020. In dieser Zeit finden eine Reihe von verwandten Veranstaltungen statt, wie z.B. Seminare und Buchlesungen mit den Schwerpunkten Geschichte und Gegenwart der klösterlichen Erziehung, Missbrauch von Kindern in kirchlichen Einrichtungen, häusliche Gewalt etc. Der Eintritt ist frei.
Die Ausstellung wird auch online für die Öffentlichkeit zugänglich sein.