Roland Wirtz lacht. „Ich mache Fotos aus einer Zeit, aus der es keine geben kann.“ Denn Fotografien entstanden erst nach 1834 in Frankreich, wo Daguerre und Niepce mit der Camera obscura experimentierten, und in England, wo William Henry Fox Talbot sein fotografisches Verfahren entwickelt hatte. Fotos à la Talbot verlangen Belichtungszeiten zwischen zehn Minuten und zwei Stunden. Darum zeigen sie nur die unbewegten Objekte, Straßen, Bäume, Mauern, Landschaft. Menschen, die durchs Bild laufen, hinterlassen keine Spur, allenfalls einen schemenhaften Schatten. Das ärgerte Talbot, er wollte dokumentieren. Wirtz ist glücklich. Er will keine Momentaufnahmen, will auch nicht historische Bilder nachstellen. Er will nichts weniger, als das Verschwinden und Vergehen in seinen Bildern erlebbar, fühlbar machen. Kalotypie nannte Talbot seine Technik, Ausschnitte der Welt auf lichtempfindlichen Papieren festzuhalten. Roland Wirtz hat herausgefunden, wie das damals funktioniert haben könnte. „Auf die Mischung kommt es an“ sagt er und streicht in der Dunkelkammer Gallussäure, Silbernitrat und Kaliumjodid aufs Papier. „Fertig ist das Negativ!“ Am Ende klammert er das entwickelte Negativ auf das Papier für den Kontaktabzug wie einst Fox Talbot und legt es in die Sonne. Davor lagen das Wachsbad, Entwicklung, Trocknung und ein kleiner Geheimnisverrat: Zum Ausbügeln des Wachses steckt Wirtz das Negativ zwischen die politischen Seiten der F.A.Z. Keine andere Zeitung sei dafür so gut geeignet (Johannes Roth)
Zunächst entstanden kleinformatige Salzpapierabzüge von Papiernegativen, die er 1996 erstmals ausstellte. Eine der historischen Technik entsprechend romantische Atmosphäre umgab die Motive dieser ersten Arbeiten. Weil er einen Rückgriff auf Nostalgisches aber unter allen Umständen vermeiden wollte, schlug er mit subtilen formalen Brüchen eine Brücke in die Jetztzeit – wenn etwa ein Verkehrsschild hinter körnig verfallendem Mauerwerk verschwommen hervor schien (Christoph Schütte)
Roland Wirtz ist ein Mystiker. Seine Fotos sind über viele Stunden durch das Belichten von Platten mit Tageslicht entstanden... Es ist, als fokussiere er eine kosmische Energie, um ein Bild zu schaffen, das letztlich mehr dem Höhlengleichnis von Plato entspricht als der Realität, die er ins Auge fasst (Jean-Christophe Ammann)
Die Ausstellung umfasst acht Landschaftsbilder, die für die erste Einzelausstellung des Künstlers im Jahr 1996 entstanden sind und ist an Wochenenden und Wochentagen (nach Vereinbarung) zwischen 11:00 und 18:00 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.